Carl Orff: "Carmina burana" 9. und 10. März 2002 in der Sporthalle Marmagen



Das Bühnenbild von 12 m Breite und 5,40 m Höhe entwarfen und gestalteten die Eifelmaler Franz-Josef Kochs und Agnes Harff-Hilgers

Die „Alte Burg“ zu Marmagen - hier auf einem Foto aus dem Jahre 1926 - lieferte das Motiv für dieses Bühnenbild .
Sie soll im 12./13. Jahrhundert, dem Zeitalter der Carmina burana, erbaut worden sein und einem Rittergeschlecht von Marmagen als Behausung gedient haben. So stellt Sie einen lokal-geschichtlichen Bezug zur Welt der Carmina burana her.

Das Rad der Fortuna hatte einen Durchmesser von 2,20 m. Hans Murk und Hermann Bramer fertigten es aus Tischlerplatte nach einer Miniatur der Benediktbeurer Liederhandschrift.


Albert Richenhagen, spielte den "Archipoeta" und vermittelte als Rezitator mit eigenen Überleitungstexten den Handlungsrahmen der Carmina-Bilder dem Publikum .

Zur Marmagener Inszenierung der Carmina burana
von Paul F. Irmen

Orff´s „Carmina Burana“ sind ein Musikwerk ohne formale Vorbilder: Obwohl für die Bühne geschaffen, sind sie weder Oper noch Ballett. Orff selbst bezeichnet sie im Untertitel als „Imaginibus magicis“, als magische Bilder.

Diese Bezeichnung des Komponisten greift die Marmagener Inszenierung auf, und stellt die Carmina burana in fünf „lebenden Bildern“ auf die Bühne. Ihre Eigenart ist, daß sie keine Handlung beinhalten, sondern nur einen statischen Präsentationsrahmen für die lyrischen Texte der benediktbeurener Handschrift liefern. Damit entsprechen sie der Orff´schen Kompositionsweise: Die dem Prinzip der Deklamationsrhythmik folgende Musik vollzieht keine innere Entwicklung. Sie ist stets als Ganzes da. Größere formale Einheiten entstehen nur durch Wiederholung.

Etwas schwieriger als das Verständnis für die Musik zu vermitteln, ist es, einen direkten Zugang zur Sprache der Carmina burana zu schaffen.

Lateinische und mittelhochdeutsche Vaganten-Dichtung wie Orff sie für seine Carmina burana ausgewählt und vertont hat, vermittelt sich dem Zuhörer nicht unmittelbar. Die Sprache ist fremd, zu vielschichtig sind die Metaphern, zu artifiziell die meist an antike Vorbilder angelehnten Formen.

Lokale Bezüge

In der Marmagener Inszenierung werden verschiedene Stilmittel eingesetzt, das Werk Carl Orffs für den Zuhörer greifbarer, faßbarer zu machen, ohne seine Aussagen zu simplifizieren.

So tritt einer der Dichter der Carmina burana als Rezitator auf. Er ist der „Anwalt des Publikums“, der den Zuhörer über die Szenarien und die „Stories“ auf dem Laufenden hält.

Für diese Rolle wurde die historisch nachgewiesene Figur des „Archipoeta“ ausgewählt, dessen „Vagantenbeichte“ zu den bekanntesten Gedichten der Carmina burana gehört. Carl Orff hat fünf Strophen dieses Gedichtes in sein Werk aufgenommen. ( Nr.11: Estuans interius).

Das Bühnenbild bildet einen weiteren Bezug zur Welt der Carmina burana. Es zeigt im Stil mittelalterlicher Buchmalerei die „Alte Burg“ zu Mamagen, die im 12./13. Jahrhundert, dem Zeitalter der Carmina burana, erbaut sein soll und einem Rittergeschlecht von Marmagen als Behausung gedient haben mag, von dem einzelne Vertreter historisch belegbar sind.. Die alte Marmagener Burg repräsentiert so die „höfischen“ Gefielde in der Lebenswelt der Carmina burana-Texte..

Ein Beziehung zum ländlichen Kulturraum der Eifel wird in den Tänzen und Aktionen des zweiten Bildes „Uf dem Anger“ deutlich.

Hier finden die in der Eifel noch lebendigen Mai-Traditionen Eingang in die Inszenierung: „Jungfrauen“ putzen sich für den bevorstehenden Maitanz heraus, zanken um die Gunst der Jünglinge einzig mit dem Ziel Maikönigin zu werden.

Archipoeta - der Erzdichter aus dem Köln des 12. Jahrhundert.

Die schillernde Gestalt des Archipoeta und die anderen Autoren seines Genres widerlegen die seit der Aufklärung immer wieder beschworene Mär vom finsteren Mittelalter. Die Vagantenlyrik, u.a. überliefert in einer Sammlung aus Benediktbeuern, welche die nach diesem Ort benannten Carmina Burana enthält, gibt einen lebhaften Eindruck von der unbekümmerten Lebenslust, die in diesem Zeitalter durchaus nicht selten war.

Die christliche Grundordnung war das sichere Fundament, das heftige, durch lachende, singende und tanzende Menschen verursachte Schwingungen vertragen konnte, ohne ins Wanken zu geraten. Gewagte Scherze wie das in Form einer Beichte des Täters vorgetragene Loblied auf kulinarische, alkoholische, sexuelle und sonstige Exzesse amüsierten das gelehrte Publikum, das größtenteils aus Klerikern bestand, und das eigene Jugendsünden und Unarten anderer wiedererkannte.

Damals wie heute gab es ewige Studenten, Vaganten genannt, die nach abgebrochenem Theologie-, Philosophie-, Jura- oder Medizinstudium durch das Land zogen und ihre mehr oder weniger vermögenden oder mächtigen Gönner durch Lieder und Gedichte unterhielten.

Der Mäzen des Archipoeta, des Erzdichters, war kein Geringerer als einer der mächtigsten Männer des Reiches, der Erzbischof von Köln, Rainald von DasseI, Gefolgsmann Barbarossas, der die Gebeine der Heiligen drei Könige nach Köln gebracht hat, und so gelangte der Dichter zu seinem Spitznamen, der außer seinen herrlichen Gedichten das einzige ist, was von ihm zeugt.

Da der Archipoeta die Carmina Burana durch seine Dichtkunst bereichert hat, darf er, dargestellt durch einen Rezitator, eigene Gedichte und die seiner Zeitgenossen zum besten geben und so durch den Abend führen.

Konzert
Chronik
2002